"Frauen küssen weicher"
Natalia Wörner spielt in ihrem neuen TV-Film eine lesbischen Lehrerin. Und im Woman-Interview spricht sie offen über Erotik zwischen Frauen, über Männerängste und Sex vor der Kamera.
Interview: Kathrin Kellermann
Let´s talk about Sex – die meisten Stars winken da sofort ab. Nicht so Natalia Wörner, 36 ("Der Seerosenteich"). Ein Angebot von "Playboy" schlug das ehemalige Model, das schon mit Gérard Depardieu drehte, aus. Doch verbal lässt die Schauspielerin die Hüllen fallen. Und erzählt von den Dreharbeiten zu dem Fernsehfilm"Liebe und Verlangen", in dem sie eine Frau spielt, die eine verführt – eine ganz spezielle Erfahrung.
woman: Im Film gibt es eine ziemlich heiße Liebesszene zwischen Ihnen und Katja Flint. Waren Sie das selbst oder haben Sie sich doubeln lassen?
Natalia Wörner:Das waren wir natürlich selbst! Und wir hatten ziemlich viel Spaß, weil Katja und ich beide sehr locker sind. Wir mussten uns nicht überwinden, sondern hatten das Gefühl, wir können gut miteinander umgehen. Es wr sehr lustig: beide splitternackt und den halben Tag mit Champagner im Bett! Wir hatten eine Regisseurin und eine Kamerafrau - und die paar Männer am Ser haben wir Kaffeetrinken geschickt...
Katja Flint spielt eine heterosexuelle Frau. Ist es realistisch, dass sie weiß, was sie mit einer Frau im Bett machen soll?
Darüber haben wir lange geredet. Aber die beiden sind keine 15 mehr. Die wollen – und dann machen sie es. Sexuallität ist ab einem bestimmten Alter etwas, was man mit einem Mensch teilt.
War es eine Überwindung, eine Liebesszene mit einer anderen Frau zu drehen?
Nö. Es gibt ja nun auch männliche Kollegen, mit denen man nicht unbedingt eine Sexszene haben möchte. Aber mit Katja war es angenehm und unangestrengt. Nur eine Szene hat mich Überwindung gekostet: die Masturbationsszene. Die zu spielen fiel mir wirklich schwer.
Hat der Film eine Botschaft?
Wenn man will, ist es ein Liebesfilm mit zwei Frauen. Aber keiner, der sich um das Thema Homosexualität bemüht, der mit Tabus, Klischees oder sonst was aufräumen will. Es geht um Liebe und auch darum, dass es total schmerzhaft sein kann zu lieben. Dass man sich dabei auch verlieren kann – oder unter Umständen nicht aufgefangen wird. Und es ist ein Film, der Mut machen soll zu sagen: steh zu dem, was du bist und leb das. Das Ende finde ich sehr schön, weil offen bleibt, ob es für die beiden eine Zukunft gibt.
Puppas Ehemann kommt am Ende ziemlich schlecht weg, weil er seine Frau nicht verstanden hat. Haben Männer keine Ahnung von der Gefühlswelt der Frauen?
Ich glaube, wenn ein Mann weiß, dass es einen anderen Mann gibt, hat er einen Konkurrenten, ein Gegenüber, das er kalkulieren oder zumindest benennen kann. Aber wenn eine Frau an die Stelle tritt, an der er sich selbst sieht - das muss sehr schokierend sein. Umgekehrt stelle ich es mir genauso irritierend vor.
Haben Sie in Ihrer Jugend mal eine Freundin geküsst?
Klar! Wenn man schon als Homoerotik begreift – bitte. Es ist ganz normal, dass man in Nähe hat zu einer Frau, die – im Rückspiegel betrachtet – auch etwas anderes hätte sein können als nur eine Freundin. Ich würde das aber noch nicht als lesbisch bezeichnen. Mit Freudinnen geht man einfach anders um als bei Männern.
Was war das für ein Gefühl, eine Frau zu küssen?
Schon anders. Weicher. Natürlich ohne Zunge, ein Filmkuss, eben. Ich fand´s nicht unangenehm. Es ist aber ein Unterschied, ob man das für eine Rolle tut oder privat.
Und? Macht es neugierig?
(Schallendes Gelächter) Hat es Sie neugierig gemacht, als Sie den Film gesehen haben? Na ja, man ist ja nie frei von solchen Gefühlen. Warum soll man nicht auch mal Frauen erotisch finden können? Ich glaube ihnehin, dass viele Frauen bisexuelle Fantasien haben – sie erzählen es nur nicht. Vom sinnlichen Erleben her war der Kuss jedenfalls sehr angenehm. Männer haben es da schon ganz gut.
Sollten wir uns jetzt alle mal zum Ausprobieren auf unsere beste Freundin stürzen?
Eher nicht! Das ist zu nah. Natürlich ist die Grenze weich und fließend, aber eine bestimmte Art von Intimität lässt ja eine bestimmte Form von Erotik nicht zu.
Oder haben Frauen einfach nur Angst, ihre Fantasien auszuleben?
Ich glaube, dass sich da in der Gesellschaft zurzeit wahnsinnig viel ändert. Gerade die junge Generation scheint einen sehr pragmatischen Zugang zum Sex zu haben – was mich merkwürdig berührt. Ich hab das Gefühl, es ist zum Hobby geworden. Da hat sich eine ganz aggressive Form von weiblicher Sexualität entwickelt. Ein Generationsprung? Ich bin nicht prüde, aber ich würde sexualität nur mit Intimität erleben wollen. Mir ist das Fremd – diese Form der Triebkraft.
Woran mag das liegen?
Mediale Präsenz? Es wird heute so offen über sexualität geredet – man wird ja nahezu damit bombardiert. Wenn man als junger Mensch mit einem solchen Leistungkatalog aufwächst, baut man für sich eine Effektivitätsklausel ein. Deshalb haben junge Mädchen einen Wahnsinnsdruck, sich das zu nehmen, was sie zu brauchen glauben.
Oder lassen sie einfach Gefühle nicht zu, weil sie immer wieder erleben, dass viele Beziehungen scheitern?
Nein, heute gibt es eine weibliche Sexualität, die männliches Verhalten kopiert. Klar, jeder muss seine Erfahrungen machen, damit einem sex gut tut und Spaß macht. Aber was entwickelt man für einen sexuellen Fingerabdruck, wenn man mit sich selbst so harsch umgeht? Ich stelle mir das sehr klar vor. Ob sich daraus ein Gefühl für Sehnsucht, Romantik, Verletzbarkeit oder Hingabe entwickelt, kann ich nicht beurteilen.
Wie halten Sie es mit One-Night-Stands?
Die können sicherlich ganz schön sein, aber es ist nichts, was mich wirklich berührt. Sexualität, Intimität und Freundschaft sind für mich viel zu heilige Werte, als dass ich damit umgehen würde wie auf einer Kirmesveranstaltung. Guter Sex hat zu tun mit fragen, antworten, fordern, sich hingeben und loslassen können, Vertrauen und Distanz. Das entwickelt man nicht in zwei Minuten.
Und wie sieht es in Ihrem Liebesleben gerade aus?
Ich hab mich mittlerweile dran gewöhnt, dass ich Männer überfordere! Aber meine Idee der Liebe ist umbeschädigt groß, und daran will ich festhalten. Ich könnte mich nie auf Kompromisse einlassen.
Vielleicht sind Frauen zu stark?
Klar! In Wahrheit ist es doch so: Männer bewundern eigenständige Frauen – aber sie haben große Manschetten vor ihnen. Das macht die Männer unglaublich fertig! WEil sie überhaupt nicht wissen wo sie wirklich gebraucht werden.
Wie macht sich die Angst der Männer in Ihrem Leben bemerkbar?
Ich kenne interessante Männer. Aber keinen, bei dem ich sagen würde: Das ist der Mann, der meine Unabhangichkeit aushält, der mich erträgt und der auch noch aufmachen und sagen kann: Jetzt reden wir mal über die Liebe. Einen zu finden, der bei diesen Anforderungen nicht zusammenbricht, ist schwierig. Vielleicht mussman im Ausland schauen.